Home Bias: Investieren am vertrauten Ufer

Wer nur Aktien von Unternehmen aus DAX, MDAX oder SDAX kauft, fährt langfristig keine gute Anlagestrategie. Der Heimvorteil kann so schnell zum Nachteil werden.

"Zu Hause schmeckt’s am besten“ – eine Volksweisheit, die beim Essen stimmen mag, führt jedoch bei der Geldanlage oft zu suboptimalen Entscheidungen. Ein signifikanter Anteil von Anlegern bevorzugt Investitionen in heimische Unternehmen und Märkte, und verzichtet damit auf globale Diversifikation. Dieses Phänomen, bekannt als Home Bias (auf Deutsch auch „Heimatmarktneigung genannt), beeinträchtigt nicht nur deutsche Investoren, sondern ist ein weltweites Muster, das sowohl private als auch institutionelle Anleger betrifft. Wie sich diese starke Präferenz zu heimischen Märkten auswirkt und warum Anleger so handeln, lesen Sie in diesem Artikel.

Home Bias - ein globales Phänomen

Home Bias, das Phänomen der Bevorzugung heimischer Märkte, ist weltweit verbreitet und in zahlreichen wissenschaftlichen Studien dokumentiert. Anleger in den meisten Industrie- und Schwellenländern neigen zu einer Übergewichtung heimischer Aktien gegenüber globalen Benchmarks [1]. Diese Praxis steht im Widerspruch zur Portfoliotheorie, die besagt, dass ein global diversifiziertes Marktportfolio, welches in der Regel nach Marktkapitalisierung gewichtet ist, ein optimales Rendite-Risiko-Verhältnis bieten soll. Portfolios, die zu stark auf den Heimatmarkt ausgerichtet sind, weisen oft eine unzureichende Diversifikation auf und sind mit unnötigen Risiken behaftet.

Wie deutsch sind die Portfolios der Deutschen?

In Deutschland ist die Home-Bias-Tendenz besonders stark ausgeprägt. Laut einer Studie der Consorsbank, die rund 1,6 Millionen Depots ihrer privaten Kunden in Deutschland analysierte, entfielen Ende Juni 2023 50,60 % des gesamten Anlagevolumens der privaten Kunden auf Aktien deutscher Unternehmen. Lediglich 12,70 % wurden in Resteuropa und 34,20 % in nordamerikanische Aktieneinschließlich kanadischer investiert.

Zum Vergleich: Der Anteil der deutschen Wirtschaft am globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) beträgt nur 4,4 % [2]. Gemessen an der Marktkapitalisierung des globalen Aktienmarkts, hat der deutsche Aktienmarkt einen Anteil von etwa 2,0 % [3].

Die Kosten des Home Bias

Nach Angaben der Bundesbank investierten die Deutschen um die Jahrtausendwende direkt und indirekt über Fonds etwa 248 Milliarden Euro in heimische Aktien. Rein rechnerisch bedeutet das: In den letzten ca. 24 Jahren erzielten Deutsche Anlegende mit ihren DAX-Investitionen über 425 Milliarden Euro. Mit einer BIP-gewichteten Verteilung hätten jedoch 125 Milliarden Euro mehr erzielt werden können; mit einer Verteilung nach Marktkapitalisierung sogar etwa 240 Milliarden Euro mehr. Während der DAX seit Mitte 2000 um etwa 170 % stieg, legte der global ausgerichtete Index MSCI ACWI, gewichtet nach BIP, um 230 % und der nach Marktkapitalisierung gewichtete MSCI ACWI um etwa 270 % zu.

Ursachen des Home Bias

Die Verhaltensfinanzwissenschaft interpretiert den Home Bias primär als ein emotionales Phänomen. Investitionen in einheimische Unternehmen vermitteln Anlegern oft ein Gefühlt der Sicherheit und Kontrolle, ein Gefühl von Vertrautheit. Das steht im Gegensatz zu ausländischen Anlagen, die oft als risikoreicher wahrgenommen werden, da sie weniger bekannt sind.

Eine weitere Ursache ist die Aversion gegenüber Mehrdeutigkeit, also Situationen, in denen Wahrscheinlichkeiten von Ereignissen unbekannt sind. Viele Investoren glauben, sie könnten die Risiken und Chancen heimischer Vermögenswerte besser einschätzen und überschätzen dadurch ihre Urteilsfähigkeit. Diese Selbstüberschätzung führt zu einer bevorzugten Allokation in vertraute, inländische Wertpapiere.
Zusätzlich spielt das Währungsrisiko eine bedeutende Rolle. Viele Anleger bevorzugen es, in ihrer Heimatwährung zu investieren, um Wechselkursschwankungen und die Notwendigkeit einer Währungsabsicherung zu vermeiden. Der Home Bias kann daher auch als eine Form der Risikoabsicherung gegenüber den Unsicherheiten internationaler Währungsmärkte angesehen werden.

Die Bedeutung der Diversifikation

Um den Home Bias effektiv zu überwinden, ist es entscheidend, dass Anleger die Vorteile der globalen Diversifikation erkennen und nutzen. Dazu gehört die Verteilung der Investitionen über verschiedene geografische Regionen und Branchen, die Streuung über verschiedene Anlageklassen hinweg und die kontinuierliche Anpassung des Portfolios an globale wirtschaftliche Entwicklungen. Eine starke geografische Konzentration der Anlagen, wie sie beim Home Bias auftritt, kann zu erhöhter Volatilität führen und Renditen besonders in Zeiten wirtschaftlicher Turbulenzen auf lokaler Ebene signifikant beeinträchtigen. Ein Vergleich der annualisierten Volatilität der einzelnen Märkte und des global diversifizierten MSCI ACWI Indizes über die letzten ca. 20 Jahre verdeutlicht dies.



Das Leitprinzip ist dabei "nicht alle Eier in einen Korb zu legen“. Durch die Verteilung der Risiken über verschiedene Vermögenswerte und Märkte lassen sich langfristig stabilere und potenziell rentablere Ergebnisse erzielen. In unsicheren Zeiten bewährt sich die Diversifikation besonders, da sie das Risiko von Kapitalverlusten minimiert und die Chancen auf Ertragserhalt und -wachstum verbessert.

Fazit

Global diversifizierte Portfolios sind in der heutigen globalisierten Weltwirtschaft kein Luxus mehr, sondern eine Notwendigkeit, um langfristig finanzielle Sicherheit und Wachstum zu gewährleisten. Der Home Bias mag aus Vertrautheit entstehen, doch klar ist: Geografische Diversifikation senkt Risiken und steigert die Chancen auf bessere Renditen.

Fußnoten: 

[1]: e.g. Karolyi und Stulz, “Equity Home Bias Puzzle", Journal of Economic Literature (2003); Sercu, Piet M. F. A. und Vanpee, Rosanne, “Home Bias in International Equity Portfolios: A Review”, SSRN (2007). Available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=1025806
[2]: Anteil Deutschland in dem MSCI ACWI GDP Weighted Index, Stand: 30.April 2024
[3]: Anteil Deutschland in dem SPDR MSCI ACWI ETF (marktkapitalisiert), Stand: 09.Mai 2024

Hinweis:

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16.5.24
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